Rhein-Zeitung Koblenz | Presseartikel vom 22. Mai 2009 — Kommunalwahl —
Dr. Michael Gross |
Sieben Listen treten zur Kommunalwahl in Koblenz an. In einer Serie stellt die RZ die Spitzenkandidaten vor. Wer sind sie, was wollen sie, wofür steht ihre Partei oder ihre Initiative? Und: Was kochen sie? Denn um die Politiker richtig kennenzulernen, hat die RZ sie an den Herd gebeten. Den Anfang macht Dr. Michael Gross von der Bürgerinitiative „Zukunft für Koblenz“ (BIZ).
KOBLENZ. Nach Spargel riecht es in der Küche von Dr. Michael Gross. Spargelsuppe und Garnelen: die Vorspeise auf der Karthause. Er kocht nicht oft, erzählt Gross, hat sich daher tatkräftige Unterstützung von Tochter Anja erbeten. Und das geht auch unproblematisch, wohnt der 58-Jährige doch gemeinsam mit ihr unter einem Dach. „Das mit dem Kochen stimmt gar nicht“, protestiert Enkel Nicolas (8). Opa kaufe immer die besten Steaks. Gross: „Kaufen ja, kochen nein.“
Servieren aber sehr wohl. Erster Gang: Spargelsuppe mit Garnelenspießen. Dazu gibt es einen trockenen Riesling – und eine Erklärung dafür, wie aus dem Fraktionsvorsitzenden der FDP der Spitzenkandidat der BIZ wurde. Von der Landes-FDP sei er blockiert, in seiner Arbeit als Fraktionschef nicht unterstützt worden. „Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass in den etablierten Strukturen das bürgerliche Engagement, wie ich es mir vorstelle, nicht möglich ist.“
Der Wille, sich zu engagieren, war aber gerade die Triebfeder für den Weg in die Politik. „Im Jahr 2000, als mein Enkel geboren wurde“, sagt Gross mit Blick auf Nicolas – der Suppe isst, aber ohne Garnelen. Liberale Ideen, liberale Partei: Das hat für den Mediziner lange funktioniert. Nach der Bundestagskandidatur 2002 zog er 2004 in den Stadtrat ein. „Am Freitag, den 13. Juni.“ So genau weiß er das noch, weil er exakt 35 Jahre zuvor gegenüber dem Rathaus im Görres-Gymnasium sein Abitur abgelegt hatte – ebenfalls an einem Freitag, den 13. Juni. 2006 wurde er stellvertretender Fraktionsvorsitzender, 2008 dann sogar Fraktionschef. Doch vor allem beim Thema Zentralplatz habe er immer mehr gemerkt: „Die FDP ist ein Ableger der Mainzer Interessen.“
Zweiter Gang: Lachssteak mit Rosmarinkartoffeln und Mangold. Enkel Nicolas, übrigens genau wie Opa erklärter TuS-Fan, ist satt, spielt im Haus. Der enge Kontakt mit seiner Familie, seinen drei Töchtern, zwei Enkeln, aber auch seiner geschiedenen Frau ist dem Mediziner besonders wichtig. Auch dort gilt für ihn die Idee der Hilfe zur Selbsthilfe. „Man muss Rahmenbedingungen schaffen, damit die Kinder sich entfalten können.“ Gross ist zugleich Psychotherapeut und Facharzt für Allgemeinmedizin, hat seit 29 Jahren eine eigene Praxis.
Und heilen würde er auch gerne viele Entwicklungen in der Stadt, die sich besonders deutlich am Beispiel Zentralplatz, aber nicht nur dort zeigen. „Im Stadtrat wird die Lebensqualität einer Kommune bestimmt.“ Aber der Koblenzer Rat habe leider den Kontakt zur Basis verloren. Bei den Plänen für den Zentralplatz werde der Wunsch der Mehrheit der Bevölkerung ignoriert – deswegen wolle Gross auch die Mehrheit im Rat nicht anerkennen.
Insgesamt will er mit der BIZ vor allem für transparente, nachvollziehbare Entscheidungen stehen, für eine Beteiligung der Bürger, für eine Konsolidierung der kommunalen Finanzen – und für Investitionen in Bildung, Umwelt und erneuerbare Energien, gerade in Zeiten der Krise. „Wir sind die einzige Opposition, die einzige echte Alternative“, gibt sich Gross beim abschließenden Kaffee kämpferisch. Und auch wenn am 4. Juni – kurz vor der Wahl – die Mehrheit im Rat versuche, am Zentralplatz Fakten zu schaffen, seien längst nicht alle Mittel ausgereizt. „Für uns heißt das: Jetzt erst recht.“