Verträge beschäftigen Gericht – Hätte öffentlich beraten werden müssen?
Eine Fraktion verklagt den Stadtrat: Das ist neu, zumindest in Koblenz. Nach einer Klage beschäftigt sich jetzt auch das Verwaltungsgericht mit dem Zankapfel der Stadt: dem Zentralplatz.
KOBLENZ. Hätte der Stadtrat über die Zentralplatzverträge öffentlich beraten müssen? Mit dieser Frage muss sich die Erste Kammer des Koblenzer Verwaltungsgerichts auseinandersetzen. Die Fraktion Gross/Henchel hat gegen den Rat Klage eingereicht. Sie hatte im März – und bei weiteren Gelegenheiten – beantragt, entsprechende Tagesordnungspunkte in die öffentliche Sitzung zu verlegen. Sie war damit bei der großen Ratsmehrheit auf Ablehnung gestoßen.
Gibt es den Kläger noch? Rechtswidrig sei das, argumentiert Rechtsanwalt Stephan Wefelscheid als Bevollmächtigter der Kläger – und verletze die Rechte der Fraktion Gross/Henchel. Und genau an diesem Punkt könnte sich bereits der Erfolg oder Misserfolg der Klage entscheiden. Denn: Die Fraktion Gross/Henchel gibt es gar nicht mehr. Zur Erinnerung: Die beiden Ratsmitglieder Dr. Michael Gross und Paul Henchel hatten im „alten“ Rat vor der Wahl die FDP-Fraktion verlassen und in der Folge eine eigene Fraktion gestellt. Im Wahlkampf waren beide als Spitzenkandidaten für die Bürgerinitiative „Zukunft für Koblenz“ (BIZ) ins Rennen gegangen. Die BIZ stellt jetzt sechs Ratsmitglieder – darunter Gross und Henchel.
Doch ob das reicht? Der Vorsitzende Richter und Vizepräsident des Gerichts, Klaus Meier, schien da auch Zweifel zu haben. Eine Verletzung von sogenannten Mitgliedschaftsrechten, wie sie hier geltend gemacht werden, könne man nur dann feststellen, wenn die Fraktion auch noch etwas davon habe. „Aber die Fraktion besteht nicht mehr“, so Meier, „das ist das Problem.“
Das sah Stephan Wefelscheid anders. Gross/Henchel sei in der BIZ aufgegangen, sei ein Teil der neuen Fraktion geworden. Es bestehe daher ein Fortsetzungszusammenhang. Ein Interesse an der Feststellung habe man in jedem Fall: „Wenn die Beschlüsse rechtswidrig sind, müssten sie neu herbeigeführt werden“, so der Klagevertreter. Im Übrigen habe es große Nachteile im Wahlkampf gegeben. Man habe nicht auf die Details der Verträge zum Zentralplatz eingehen dürfen, die man so vehement ablehne. Da diese Teil der nicht öffentlichen Sitzung waren, habe man sich der Verschwiegenheitspflicht unterwerfen müssen – obwohl, so Wefelscheid, von den Bürgern viele Nachfragen zu den konkreten Punkten der Verträge gestellt worden seien.
Rechte nur bis zur Wahl. Die Interessen des Stadtrats und dessen Vorsitzenden, des Oberbürgermeisters, vertrat Achim Gebel, der Leiter des Rechtsamts. Er zielte in seiner Klageerwiderung auf den Punkt ab, den auch das Gericht jetzt angesprochen hat. Eine Fraktion sei eine Kunstfigur, die Rechte habe – aber nur solange sie besteht. Und das heißt: nur innerhalb der Wahlperiode. „Wenn sie dann von Rechts wegen aufgelöst wird, kann sie keine Rechte mehr geltend machen.“ Anders sieht Gebel das bei einem Ratsmitglied: Das sterbe glücklicherweise nicht nach dem Ende der Wahlperiode, die Fraktion aber sehr wohl.
Doch so eindeutig scheint es für das Gericht nicht zu sein. Zumal das bedeuten würde, so Richter Meier, dass eine Fraktion immer bis zum Ende der Wahlperiode ein rechtskräftiges Urteil herbeiführen müsste – oder seine Rechte verliere. Eine interessante Frage sei das.
Zur Frage, ob die Beschlüsse rechtswidrig sein könnten, wurden keine Ausführungen mehr gemacht. Eine Entscheidung des Gerichts soll bald folgen
(Artikel Rhein-Zeitung, Lokalteil Koblenz, Ausgabe Fr 23.10.2009)