Das Land Rheinland-Pfalz hat den Entwurf eines Landesgesetzes über den öffentlichen Personennahverkehr eingebracht. In diesem Gesetz sollen die sehr komplexen Finanzierungsströme neu geordnet werden und im organisatorischen Sinne wird der Nahverkehr neu strukturiert. Die bisher eher klein-teilig organisierte ÖPNV/SPNV-Landschaft in Rheinland-Pfalz soll in zwei neue Zweckverbände (ÖPNVRLP Nord und ÖPNV RLP Süd) überführt werden. Die bisherige organisatorische Trennung von Bus und Bahn wird damit aufgehoben.
Wichtige Neuerung ist zudem die Überführung des ÖPNV von einer freiwilligen Aufgabe zu einer Pflichtaufgabe der kommunalen Selbstverwaltung. Dies entspricht auch der Forderung des Rates der Stadt Koblenz und ist grundsätzlich zu begrüßen.
Das Problem liegt aber darin, dass der ÖPNV zunächst Pflichtaufgabe im Rahmen der finanziellen Leistungsfähigkeit der kreisfreien Städte und Landkreise werden soll, ohne stärkere finanzielle Be-teiligung des Landes. Klarer Aussagen zur Finanzierung bzw. finanziellen Beteiligung des Landes fehlen. In Artikel 49, Absatz 5 Landesverfassung Rheinland-Pfalz heißt es aber: „Überträgt das Land den Gemeinden oder Gemeindeverbänden nach Absatz 4 die Erfüllung öffentlicher Aufgaben oder stellt es besondere Anforderungen an die Erfüllung bestehender oder neuer Aufgaben, hat es gleich-zeitig Bestimmungen über die Deckung der Kosten zu treffen;“
Mit der Aufstellung des Landesnahverkehrsplans sollen dann Standards festgelegt werden. Zur Erfüllung dieser Standards sollen Korridore vorgegeben werden. Bei Einhaltung dieses Korridors/Rahmens sollen somit Forderungen der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) nach Ausgaben-kürzungen in diesem – bislang freiwilligen Bereich – die Grundlage entzogen werden. Wird der im Landesnahverkehrsplan zu definierende Korridor/Rahmen hinsichtlich des Verkehrsangebotes aller-dings überschritten, so handelt es sich vermutlich wiederum um eine freiwillige Leistung. Die dies-bezüglichen Kompetenzen der ADD werden nicht im Gesetz geklärt.

Die FREIE WÄHLER Fraktion fragt an:
1. Wie steht die Verwaltung generell zum vorliegenden Entwurf eines Landesgesetzes über den öffentlichen Personennahverkehr – Nahverkehrsgesetz, insbesondere zu den Punkten „Zulässigkeit von Direktvergaben“, „Kompetenz der ADD“ bei „Übererfüllung“ der definierten Rahmen/Korridore“ und „Aufteilung in zwei Zweckverbände“?
Der öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) ist für die Mobilität, den Klimaschutz und die Lebensqualität in der Stadt Koblenz von großer Bedeutung. Obwohl die Corona-Pandemie auch im ÖPNV eine Zäsur darstellt, ist der ÖPNV auch zukünftig ein unverzichtbarer Bestandteil der Mobilität, der gestärkt werden muss. Mit der Gründung des stadteigenen Verkehrsunternehmens koveb wurde bereits ein wichtiger Grundstein für die Stärkung des ÖPNV gelegt. Für die nachhaltige Umsetzung dieser Ziele benötigen die ÖPNV-Aufgabenträger eine hinreichende finanzielle Ausstattung durch den Bund bzw. das Land. Daher ist eine Novellierung des LNVG notwendig und zu begrüßen.
Den aktuellen Referentenentwurf sieht die Verwaltung differenziert: Den Öffentlichen Personennahverkehr als Pflichtaufgabe der kommunalen Selbstverwaltung zu definieren, ist grundsätzlich richtig. Durch die Etablierung des ÖPNV als Pflichtaufgabe können Zuschusszahlungen der Aufgabenträger von den Aufsichtsbehörden im Rahmen der Genehmigung der Haushalte nicht mehr ohne weiteres abgelehnt werden. Auf dieser Grundlage müssen aber auch die notwendigen Finanzmittel für den ÖPNV durch das Land zur Verfügung gestellt werden.
Bereits mit der Umsetzung des neuen Nahverkehrsplans zum 13.12.2020 setzt die Stadt Koblenz auch die gewünschten Vorgaben des Landes (Landes-Nahverkehrskonzeptes-Nord) um. Wenn die Kommunen verpflichtet sind, ein angemessenes Angebot im ÖPNV bereitzustellen, müssen sie dafür auch in die finanzielle Lage versetzt werden. Diesbezüglich ist auch zu berücksichtigen, dass zur Realisierung eines gesamtheitlichen Mobilitätsangebotes auch die notwendige Infrastruktur zu berücksichtigen ist. Der Zugriff auf die Mobilität ist durch die Nutzung moderner DV-Systeme zu verbessern, das Liniennetz ist durch eine dynamische Verkehrssteuerung zu beschleunigen und die Mobilitätsknotenpunkte und Haltestellen sind barrierefrei und attraktiv zu gestalten. Auch dieser Sachverhalt sollte hinsichtlich der künftigen ÖPNV-Finanzierung berücksichtig werden.
Die im Gesetzesentwurf gewünschte Straffung der ÖPNV-Organisations¬strukturen ist nachvollziehbar. Das Ziel einheitlicher und vernetzter Strukturen ist richtig, zumal diese auch mit Einspareffekten eingehen können. Bei landesweiten Vereinheitlichungen wären zudem einheitliche Standards möglich, was die Einnahmeaufteilungsverfahren, einen einheitlichen Rechtsrahmen, oder einheitliche Tarife betreffen kann. So wäre beispielsweise auch ein Studierendenticket für ganz Rheinland-Pfalz möglich. Die Aufteilung in zwei Zweckverbände wäre gegenüber dem Status Quo eine Verbesserung. Es ist jedoch unklar, wie sich die gewünschte 40% Beteiligung des Landes in den entsprechenden Gremien der Zweckverbände auswirkt.
Die Finanzierungsströme zu bündeln und direkt über die Aufgabenträger zu lenken, ist aus Sicht der Stadt Koblenz nachvollziehbar und sinnvoll. Gleichwohl müssen die Aufgabenträger künftig die möglichen Zahlungsströme zuordnen (Organisation, Verkehrsleistung, Infrastruktur) und dies wird zusätzlichen Verwaltungsaufwand bedingen. Deshalb stellt sich auch hier die Frage nach der Höhe des finanziellen Ausgleichs und inwiefern sich die zukünftige Finanzierungshöhe im Saldo gegenüber dem Status Quo ändern wird.
Direktvergaben sind in der aktuellen Planung des Landes möglich und mit einem separaten Finanzierungstopf ausgestattet. Die Option der Direktvergabe sollte jedoch noch klarer verankert werden. Hinsichtlich der Finanzierung der Direktvergaben ist vorgesehen, dass das Land die auszugleichenden Kosten je km vorgibt und auch nur den entsprechenden Betrag übernimmt. Daher ist möglich, dass selbst, wenn die ÖPNV-Leistung in Koblenz der Leistung im noch zu erstellenden Landesnahverkehrsplan (LNVP) entspricht, diese nur teilweise erstattet wird. Hier gilt zu prüfen, ob dies mit dem Konnexitätsprinzip zu vereinbaren ist, was im laufenden Gesetzesverfahren geschieht. Die Kompetenzen der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) müssen darüber hinaus für jenen Fall geklärt werden, dass der im LNVP definierte Rahmen/ Korridor hinsichtlich des Verkehrsangebotes überschritten wird. Das „Mehr“ an Verkehrsangeboten darf nicht durch die ADD als unzulässige freiwillige Leistung bei defizitärem Haushalt beanstandet werden können.
2. Hält die Verwaltung den Gesetzesentwurf im Hinblick auf Artikel 49 Landesverfassung Rheinland-Pfalz und die fehlenden Bestimmungen über die Deckung der Kosten für Landesverfassungskonform? Wenn ja, warum? Wenn nein, was wird die Verwaltung unternehmen?
Die Stadt Koblenz schließt sich der Aufforderung des rheinland-pfälzischen Städtetages an, klarere Aussagen zur Finanzierung allgemein und zur finanziellen Beteiligung des Landes. So sollte im Gesetzestext festgeschrieben werden, aus welchen Geldern die Verkehrsleistungen bezahlt werden und es sollte eine Aussage zur Höhe und zum Anteil der Landesbeteiligung erfolgen. Zudem sollten nicht nur bestehende Töpfe zusammengeführt werden. Der Städtetag fordert hier mit Blick auf Artikel 49 Abs. 4 und 5 der Landesverfassung ein zusätzliches finanzielles Engagement des Landes. Wenn eine neue Pflichtaufgabe den Kommunen zugewiesen wird, muss der Landesgesetzgeber sicherstellen, dass die Kommunen dafür auch die notwendigen Finanzmittel erhalten. Derzeit werden die vorgetragenen Kritikpunkte seitens der Landesregierung geprüft.