KOBLENZ. Als letzte offizielle Amtshandlung hat die Fraktion Dr. Gross/Henchel noch vor der konstituierenden Sitzung des neu gewählten Stadtrates Feststellungsklage beim Verwaltungsgericht Koblenz erhoben. Mit dieser Klage begehrt die Fraktion Dr. Gross/Henchel u. A. die gerichtliche Feststellung, dass der Ausschluss der Öffentlichkeit bei der Beratung und Beschlussfassung über den städtebaulichen Vertrag, den Grundstückskaufvertrag und den Miet-Kaufvertrag zum Zentralplatzprojekt „Forum Mittelrhein“ in der Stadtratssitzung am 16. März 2009 rechtswidrig war. Bei dieser Feststellungsklage handelt es sich um einen sog. Kommunalverfassungsstreit, bei dem nicht einzelne Ratsmitglieder Klagegegner sind, sonder bei dem ein Teil des Rates, nämlich die Fraktion Dr. Gross/Henchel, vom Gericht die Entscheidungen des gesamten Stadtrates auf ihre Rechtmäßigkeit, nämlich den Einklang mit der Gemeindeordnung von Rheinland-Pfalz, überprüfen lässt.
Demokratische Legitimation, demokratische Kontrolle und demokratische Partizipation lassen sich sinnvollerweise nur unter der Voraussetzung parlamentarischer Öffentlichkeit verwirklichen.
Die Wähler haben ihre Repräsentanten für den Stadtrat in periodisch wiederkehrenden Wahlen zu wählen. Der Wahlakt ist ein Kontrollakt gegenüber der bisherigen Tätigkeit des jeweiligen Stadtrates und zugleich ein Legitimationsakt: Ein Vertrauensbeweis in der Wiederwahl und ein Vertrauensvorschuss in der Neuwahl. Eine derartige Entscheidung setzt aber eine möglichst umfassende Kenntnis der politischen Zusammenhänge und Alternativen voraus und ist sinnvollerweise nur dann möglich, wenn der Wähler über die politischen Ereignisse, insbesondere über das Verhalten der Fraktionen und Stadträte im Stadtrat, ausreichend informiert ist. Die Öffentlichkeit der Stadtratssitzungen ist daher notwendige Voraussetzung für Wahlen auf der Grundlage demokratischer Willensbildung.
Aber auch für die Zeit nach den Wahlen behält die demokratische Funktion des Prinzips der Sitzungsöffentlichkeit des Stadtrates ihre tragende Bedeutung. Sie ermöglicht die permanente Kommunikation zwischen Stadträten und Volk, indem die fiktive Anwesenheit des ganzen Volkes den Stadträten trotz ihrer gewissensmäßigen Unabhängigkeit ständig die Tatsache ihrer Stellung als delegierter Volksvertreter bewusst gemacht und ihr Verantwortungsbewusstsein berührt wird. Dadurch wird unzulässigen Einwirkungen persönlicher Beziehungen, Einflüssen und Interessen auf die Beschlussfassung vorgebeugt und der Anschein vermieden, dass „hinter verschlossenen Türen“ unsachgemäße Motive für die getroffene Entscheidung maßgebend gewesen sein könnten. Demokratische Kontrolle kann nur dann funktionieren, wenn die einzelnen politischen Positionen im Rahmen der parlamentarischen Auseinandersetzungen ständig sichtbar gemacht werden, um sie so für die Öffentlichkeit verständlich, nachvollziehbar und damit auch kontrollierbar zu gestalten.
Dass der Ausschluss der Öffentlichkeit fatale Folgen nach sich ziehen kann, hat jüngst auch die Nürburgring-Affäre mit dem Rücktritt von Finanzminister Ingolf Deubel gezeigt. Wäre die Öffentlichkeit über die riskanten Finanzgeschäfte umfänglich informiert worden, hätte Ministerpräsident Kurt Beck vielleicht nicht sagen müssen:“ Wir hätten früher die Reißleine ziehen müssen!“
(Pressemitteilung BIZ Koblenz e.V.)