Ein Essay von Dr. Michael Winter:
Gedanken zu unserer Stadt
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BIZ-Mitglied Dr. Michael Winter |
Wer den Rohbau des Kulturbaus auf dem Zentralplatz besichtigt, schaut in ein riesiges Loch, um das alle Räume stockwerkehoch gruppiert sind. Die Grundidee des Guggenheim Museums in NY und später vieler Hotelanlagen in aller Welt. Das Konzept hat sich nur in wenigen Fällen bewährt. Außen zu viel Glas, innen große zu beheizende Raumvolumen. Große Glasfassaden verschlingen große Summen für die Reinigung. Für eine Reinigung der Glassfassade des Gebäudes der Landesvertretung von NRW in Berlin muss Nordrhein Westfahlen zum Beispiel 60.000 Euro ausgeben (Steuergelder). Wie hoch werden wohl die Reinigungskosten für die Glasfassade in Koblenz sein? Und wie sieht es mit den Energiekosten trotz moderner Gebäudetechnik aus? Man stellt sich dabei unweigerlich die Frage: wofür das alles? Damit man in den oberen Geschossen auf eine trostlose Stadtlandschaft aus den siebziger Jahren schaut. Wofür müssen Menschen hier aufs Dach fahren? Ist Koblenz Venedig oder wenigstens Quedlinburg? Was ist da zu sehen? Von der Festung aus kann man sehen, wie klein die Stadt ist, und man schaut nicht auf jedes Detail. Und wenn man unten bleibt und über die Altstadtplätze flaniert, hat man immerhin einen sehr schönen Eindruck von der Stadt. Vom Dach des Kulturbaus aus aber werden die Bausünden erst richtig klar.
Die Bestände der Koblenzer Stadtbibliothek, die sich zum Teil aus Bürgerspenden zusammensetzen und über einen sehr interessanten Altbestand verfügen, der bis ins 18. Jahrhundert zurückgeht, sind durchaus beeindruckend. Bei aller Ehrwürdigkeit dieser Institution rechtfertigt das jedoch nicht die neue überdimensionierte Konzeption der Unterbringung der Stadtbücherei im neuen „Kulturbau“, selbst wenn die Bestände des Stadtarchivs dazu kämen, die ebenso bedeutend sind. Was ist eine Stadtbücherei? Eine Serviceeinrichtung für lesende Bürger. Die wird es aber im Zeitalter von i-book und e-paper sehr bald nicht mehr geben, so bedauerlich das sein mag. Für die Studierenden und die Spezialisten gibt es die Landesbibliothek mit ihren zwar nicht umfangreichen Beständen, aber mit allen modernen, unkomplizierten und raschen Hilfsmitteln der Literaturbeschaffung auf allen Gebieten. Wenn überhaupt, hätte man die Stadtbibliothek ins ehemalige Postzentrum am Bahnhof setzen und die Landesbibliothek in den Kulturbau einziehen lassen müssen, deren Kosten dann vom Land getragen würden. Schließlich waren die Flächen des einstigen Rodenwaldtinstituts mal im Landesbesitz. Eine solche Umstellung wäre auch denkbar für das Mittelrheinmuseum. Vielleicht gibt es dort überraschende Bestände im Depot, die nun besser präsentiert werden können. Es ist aber zu vermuten, dass sie nicht sehr überraschend sind. Es wird sicher kein kleiner, kostbarer Louvre plötzlich entdeckt werden. Also könnte ebenfalls das Mittelrheinmuseum auf die Festung umziehen und Herr Metz könnte sich mit der etwas kleineren Aussicht von der Dachterrasse des Kulturbaus begnügen. Klar ist, dass es wegen der jetzigen Eigentumsverhältnisse der Liegenschaften und der Landespleite hierfür keine Möglichkeiten gibt.
Die Koblenz-Touristik allerdings, die sich auf ihre Kernaufgaben beschränken sollte, braucht überhaupt keinen Standort außer direkt am Bahnhof oder an den Flughäfen Frankfurt, Köln, Hahn. Ein Zentrum für Rheinromantik gehört eigentlich auf die Festung.
Dagegen wären die Projekte Niederberger Höhe (Fritsch Kaserne) und Umbau der jetzigen BWB-Ruine zur Wiederauferstehung des ehemaligen Grand Hotels Koblenzer Hof gute Chancen für die Stadt. Der Hotelier Horst Schulze, Chef der 5 Sterne & Capella Gruppe mit Standort in den USA und Top Hotels in Singapur und Düsseldorf (Breidenbacher Hof) hat sich bereits für das Objekt interessiert. RZ vom 24.02. 12: „Ich denke, Koblenz braucht ein richtig gutes Hotel, es hat noch keins“, sagt einer, der es wissen sollte: Horst Schulze, Mitbegründer der Ritz-Carlton-Gruppe und gebürtiger Winninger. Er hat der Stadt angeboten, sie in Sachen Koblenzer Hof zu beraten – kostenlos und aus Heimatliebe, wie er sagt. Warum also ein neues Hotel am Standort von Café Rheinanlagen andenken, anstatt alte bewährte Koblenzer Traditionen aufleben zu lassen und damit der Stadt wieder ihr eigentliches Gesicht zurückzugeben?
Koblenz ist keine Garnisonsstadt mehr, und das ist eine Chance. Die Garnison muss heraus aus den Köpfen. Die BUGA war nur ein ganz kleiner Anfang der Verwandlung. Aber für eine Verwandlung darf es nicht ein weiteres halbes Jahrhundert dauern. Es muss ein Zukunftsgesamtkonzept her, das nicht nur mit Grünflächen spielt, sondern ein Ziel hat, das benennt, was für eine Stadt Koblenz in fünfzig Jahren sein will.
Gehen wir vom Tourismus aus. Der ist inzwischen für ganz Deutschland bereits der viert wichtigste Einkommenszweig. Das bedeutet, dass wir weiter voranschreiten bei der Deindustrialisierung Europas. Man mag bedauern, dass dieser Prozess unumkehrbar sein wird und vielleicht in einer Sackgasse endet. Aber bis dahin haben wir die Chance, ein touristisches Land zu werden. Koblenz hat das Potenzial eine zentrale Rolle dabei zu spielen.